Julie Dawson
Fortunoff-VWI Fellow (10/2020 – 5/2021)
Traumatisches Erbe. Eine Untersuchung der „Lebenskrise“ in den Tagebüchern jüdischer Überlebenden im Rumänien der frühen Nachkriegszeit
Im Jahr 2009 wurden in der verlassenen Synagoge einer Kleinstadt in Siebenbürgen vier Tagebücher entdeckt. Die mehr als 800 darin enthaltenen Einträge erstrecken sich über den Zeitraum von 1948 bis 1961 und dokumentieren die von Trauer und kurzem Triumph gezeichnete Nachkriegsexistenz einer jungen Überlebenden des transnistrischen Holocausts. Die Tagebücher von Blanka Lebzelter sind ein bemerkenswertes Zeugnis der alltäglichen Nöte und Entbehrungen von mittellosen Überlebenden nach den Verheerungen des Krieges und zugleich ein außergewöhnliches Werkzeug, das vielfältige Ansatzpunkte für Erkenntnisse über die Erfahrung von jüdischen Überlebenden im Rumänien der Nachkriegszeit und für die Analyse von Erscheinungsformen des Traumas im Alltagsleben bietet.
Das Forschungsvorhaben untersucht die Tagebücher aus unterschiedlichen Perspektiven: als einzigartiges Zeugnis der bislang noch kaum in den Blick genommenen Narrative von Überlebenden, und als Quelle, die ungeahnte Einblicke in die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen Rumäniens zur Nachkriegszeit ermöglicht. Meine Forschungsarbeit während der Laufzeit des Fellowships konzentriert sich darauf, die Bedeutung des Traumas im Leben Lebzelters zu erfassen, sowohl im Hinblick auf die ursprünglichen traumatischen Begegnungen, wie sie aus Archivmaterial und mündlicher Überlieferung hervorgehen, als auch auf das Durchleben und Ausagieren des Traumas, wie es in den Nachkriegsjahren in ihren Tagebüchern geschildert wird.
Julie Dawson ist Doktorandin am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien. Sie absolvierte Studeingänge an der Columbia University in New York und an der Northwestern University in Evanston und Chicago. Von 2010 bis 2019 war sie Mitarbeiterin am Leo Baeck Institut in New York, wo sie von 2012 bis 2019 ein Projekt zur Erschließung von Archivmaterial aus Siebenbürgen und der Bukowina leitete (jbat.lbi.org). Zudem war sie von 2016 bis 2019 als Forscherin für das EU Horizon 2020-Projekt TRACES: Transmitting Contentious Cultural Heritages with the Arts in Mediaș (Rumänien) tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind jüdische Geschichte der Bukowina, das kommunistische Rumänien, Frauengeschichte sowie Trauma und Memory Studies.
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