Institutsprofil
In seinen letzten Lebensjahren war es ein besonderes Anliegen Simon Wiesenthals, sein, in den vielen Jahren seiner Tätigkeit entstandenes, persönliches Archiv der Forschung zugänglich zu machen. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Instituts sollten diese Dokumente zur Grundlage weiterer Forschungen mit neuen Fragestellungen werden, der Geist seiner Arbeit in einer Zeit gewahrt sein, in der sowohl die Täter als auch die Opfer des Nationalsozialismus gestorben sein werden.
Noch zu seinen Lebzeiten ergriffen im Jahr 2002 mehrere namhafte Wiener wissenschaftliche Einrichtungen und die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) die Initiative, ein internationales Zentrum zur Erforschung des Holocaust zu gründen. Dieses Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI), an dessen Konzept der im September 2005 verstorbene Simon Wiesenthal noch persönlich beteiligt war, sollte sich im Sinne seines Lebenswerkes der Erforschung, Dokumentation und Vermittlung von allen Fragen des Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und Holocaust widmen, aber vor allem gegenüber neuen und innovativen Tendenzen der diesbezüglichen Forschung offen sein. 2008 wurde schließlich der Beschluss gefasst, dass sowohl die Republik Österreich als auch die Stadt Wien mithilfe der IKG bzw. des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes (B.J.V.N.), des Trägervereins des Simon Wiesenthal Archivs, die dreijährige Aufbauphase dieses Instituts auf der Grundlage eines detailliert ausgearbeiteten Stufenplans finanzieren werden.
Die Tätigkeit des VWI umfasst drei Bereiche: Die holocaustbezogenen Teile des Archivs der IKG, die dem Institut leihweise zur Verfügung gestellt werden, bilden gemeinsam mit dem Nachlass Simon Wiesenthals, seinen umfangreichen Beständen zu NS-Täterinnen und NS-Tätern sowie der VWI-Bibliothek die Kernstücke der Dokumentation. Aufbauend auf diesen institutseigenen oder im Institut benutzbaren Beständen werden im Rahmen der Forschungstätigkeit des VWI Projekte durchgeführt und Publikationen initiiert werden.
Zentrales Element der Forschungstätigkeit des VWI ist das Fellowship-Programm, das sowohl inhaltlich-konzeptionell als auch durch die Auswahl der einzelnen Stipendiatinnen und Stipendiaten auf den Empfehlungen, Vorschlägen und Initiativen des Internationalen Wissenschaftlichen Beirats aufbaut. Durch seine Flexibilität und Durchlässigkeit gegenüber der freien Forschungsszene sowie den intensiven und laufenden Austausch von Forscherinnen und Forschern mit anderen Einrichtungen, sichert dieses Programm die ständige wissenschaftliche Innovation, die Berücksichtigung neuer Fragestellungen und innovativer Methoden.
Mit der dritten Säule der Tätigkeit des VWI, der Vermittlung, sieht sich das Projekt dem zentralen Gedanken der europäischen Aufklärung verpflichtet: der Erziehung zur Mündigkeit durch die Vermittlung von Wissen. Wissenschaftliche Vorträge und Veranstaltungen sollen ein möglichst breites Publikum für eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus, Holocaust und Völkermord mittels der Präsentation wichtiger Forschungsergebnisse zu diesen Themen gewinnen. Wichtig für die VWI-Vermittlung ist aber auch die Entwicklung, Ausarbeitung und Erprobung neuer und durchaus auch experimentierfreudiger Konzepte: Neben Ausstellungen initiiert das VWI auch künstlerische Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum, entwickelt neuartige Internetprojekte bzw. diskutiert neue Lehrmittel und Unterrichtsbehelfe für Schulen im Rahmen wissenschaftlicher Veranstaltungen.