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Interventionen

 

Seit den 1980er-Jahren ist die Gedächtnispolitik und die zentrale Stellung des Holocaust darin zu einer globalen kulturpolitischen Debatte geworden. Ausgelöst von populären Produkten wie TV-Serien, der Gründung von Holocaust-Museen und Errichtung von Gedenkstätten und Mahnmalen, von Dokumentationen, Spielfilmen, Theaterstücken sowie Ausstellungen wurde und wird die Frage nach Sinn und Form der Erinnerung an den Holocaust bzw. nach deren Möglichkeiten und Grenzen höchst kontrovers erörtert.

 

Das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) versteht seinen Vermittlungsauftrag als Aufgabe, den gedächtniskulturellen, den medienanthropologischen sowie den diskursiven Hintergrund popularer Erinnerungen an den Holocaust und andere Genozide auch für sein Publikum transparent zu halten. Dabei soll versucht werden, Materialität und Akt der Erinnerung selbst zum Thema und zum Problem der Vermittlung zu machen. Dies wird einerseits über die wissenschaftliche Debatte und Räsonnement erfolgen, andererseits soll die Fragestellung auch in verschiedensten Kontexten experimentell, im Rahmen von Interventionen im öffentlichen Raum erprobt werden. Dafür sollen auch Künstlerinnen und Künstler eingebunden werden.

 

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Nachklänge, Erinnerungen und Nachwirkungen – Resonanzen – sind in der Regel emotional besetzt, gefühlsbetont und individuell. Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es daher, jenseits von den heute vieldiskutierten ‚Echoräumen’ der sozialen Medien wieder ins Gespräch zu kommen und gerade an den Übergängen zwischen lebendiger Erinnerung, kollektivem Gedächtnis und wissenschaftlicher Analyse, dem gemeinsamen Überlegen und Reflektieren – kurz dem Räsonieren – einen Raum zu bieten: Unterschiedliche Aspekte, Zugänge und Annäherungen zu den Forschungsfeldern des VWI sollen hier ausgelotet, intergenerationelle Gespräche ermöglicht werden, nachfragen, grübeln und zweifeln erlaubt sein – oder frei nach Bertolt Brecht bzw. Marcel Reich-Ranicki: „Den Vorhang zu und alle Fragen offen“.

 

Intervention
Kochbuch zum Überleben. Gastspiel des Golem-Theaters, Budapest
   

Sonntag, 11. November 2018, 11:00 - 14:30

Rote Bar im Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien

 

Eine ungewöhnliche Aufführung, in einer ungewöhnlichen Inszenierung: In einem Theaterstück erzählt Hedvig Weisz ihre Zeit als Zwangsarbeiterin im Lager Lichtenwörth 1944/45 und ihre Zeit im staatssozialistischen Ungarn mithilfe eines Kochbuchs. Wie kann man, tagein tagaus Tod und Verderben ausgesetzt, dem Hunger in einem KZ beikommen? Welches Gericht charakterisiert den stalinistischen Terror am Besten? Darf man den Sabbatkuchen mit Schweineschmalz backen?

Miklos ToldyTante Hédis Kochkünste beginnen im Lager Lichtenwörth. Hier, südlich von Wien, wurde im Dezember 1944 ein Lager für 2.500 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter eingerichtet. Sie mussten auf dem nackten Betonboden schlafen und erhielten Hungerrationen: eine wässrige Dörrgemüsesuppe und etwas verschimmeltes Brot. Bis zur Befreiung des Lagers am 2. April 1945 starben 180 Personen, danach noch weitere 75 bis 80.

Tante Hédis Kochbuch bleibt Träumerei inmitten des Elends: Mit imaginären Rezepten, Zutaten und Serviervorschlägen versucht es, dem ständigen Hunger Genüsse abzutrotzen. Den Jahren des NS-Terrors folgt der Stalinismus mit seinem allgegenwärtigen Mangel an allem, mit seinen Rationierungen und Lebensmittelmarken. Aber auch dem ‚Gulaschkommunismus’ mit seinen noch immer sehr beschränkten Zugängen zu wichtigen Zutaten für ausgefuchste oder auch einfach nur bodenständige Speisen kommt das Kochbuch mit seiner eigenen Raffinesse bei – und erlaubt es, noch einmal die Verlogenheit, Fadesse und biedermeierliche Zurückgezogenheit der Kádár-Zeit zu schmecken. Das Budapester Golem-Theaters bittet das Publikum zu Tisch, um das vergangene Jahrhundert nicht nur zu hören oder zu sehen, sondern auch mit den Geschmacksnerven zu erfahren, es zu „verspeisen“.

Danach ein Gespräch mit András Borgula (Skript und Bühnenbild) und Szilvia Czingel (Herausgeberin des Kochbuchs zum Überleben) in englischer Sprache, moderiert von Éva Kovács (VWI).

In Kooperation mit:

volkstheater og

Das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) richtet rund um das Gedenken an die Pogromnacht 1938 verschiedene Veranstaltungen aus. Mehr Informationen entnehmen Sie bitte der Einladung:

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Das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) wird gefördert von:

 

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