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Das Lebenswerk Simon Wiesenthals als digitales Kulturerbe

 

Teil 1: Historische Persönlichkeiten

 

Unmittelbar nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Mauthausen 1945 machte es sich Simon Wiesenthal zur Aufgabe, die Täter:innen des Holocaust zur Verantwortung zu ziehen. So sollte die Erinnerung an dieses Jahrhundertverbrechen wachgehalten werden. Im Laufe der folgenden sechzig Jahre baute er eine einzigartige Sammlung an Archiv-, Bild und Tondokumenten sowie Briefen auf, die bis heute ein wesentlicher Bestandteil des österreichischen Kulturerbes ist.

 

Das Herzstück der Dokumentationstätigkeit Wiesenthals bilden 4.483 Falldossiers zu NS-Täter:innen, NS-Tatorten und NS-Verbrechenskomplexen. Diese wurden bis 2005 von Wiesenthal und den Mitarbeiter:innen des Dokumentationszentrums des BJVN angelegt. Innerhalb dieses Bestandes ziehen jene Dossiers, die sich auf Personen beziehen, mit Abstand die größte Aufmerksamkeit auf sich. Darin aufgeführte Haupttäter:innen des Holocaust wie etwa Adolf Eichmann oder Franz Murer standen und stehen dabei nicht nur im Blickpunkt interessierter Historiker:innen oder Journalist:innen, sondern sind auch Teil des öffentlichen Diskurses innerhalb und außerhalb Österreichs und werden immer wieder zum Gegenstand von Roman-, Kunst- und Filmprojekten sowie Ausstellungen. Darüber hinaus finden sich in den Personendossiers aber auch Namen von bisher weitgehend unbekannten Täter:innen des Holocaust, wie etwa Karl Josef Fischer, aber auch von bekannten (wie Anne Frank) und unbekannten Opfern des Holocaust sowie von österreichischen Politiker:innen (wie Kurt Schuschnigg oder Bruno Kreisky) und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nach 1945. Die personenbezogenen NS-Falldossiers enthalten auch weiterführende Informationen, die sie für Kultur, Wissenschaft und Medien interessant machen. So lassen sich aufgrund der in ihnen enthaltenen Korrespondenzen und Aufzeichnungen Wiesenthals wertvolle Rückschlüsse auf die Netzwerke und Methoden ziehen, deren er sich bei der Suche nach Täter:innen des Holocaust bediente.

 

Die Digitalisierung des Teilbestandes der personenbezogenen Falldossiers stellt den zweiten Schritt in der sukzessiven Digitalisierung des Gesamtbestandes der NS-Falldossiers dar. Ein dritter Schritt wird schließlich die Digitalisierung der themen- und ortsbezogenen NS-Falldossiers sein.

 

Die Digitalisate werden mittels des Archivinformationsystems ActaPro erschlossen und können mittels Schlagworten recherchiert werden. Der Zugang zu den Metadaten erfolgt über die Webseite des Archivs oder im Archiv selber, wo der Bestand auch eingesehen werden kann. Bei gezielten Anfragen werden Digitalisate unter Beachtung des Urheberrechts auch an Nutzer:innen außerhalb Wiens in die ganze Welt versandt. Die Metadaten stehen parallel über das Portal der European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) Holocaustforscher:innen in der ganzen Welt zur Verfügung. Außerdem werden diese auch über Europeana und Kulturpool recherchierbar werden.

 

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EHRI-3

 

Ziel der ersten beiden Zyklen (2010–2019) des Projekts European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) war es, neue, transnationale Holocaustforschungen zu ermöglichen, indem die bestehende Verstreuung und Fragmentierung von Archivquellen und Fachwissen überwunden und die Anwendung transnationaler Methoden erleichtert wird. Im Februar 2020 wurde eine weitere Verlängerung des Projekts gewährt.

 

Das allgemeine Ziel von EHRI-3 folgt der Linie von EHRI-1/2 und beabsichtigt, die Integration und Öffnung bestehender Holocaust-Archive und -Sammlungen voranzutreiben, mittels

  • einer Verbesserung der digitalen Infrastruktur und Dienste von EHRI;
  • der Vernetzung neuer Forschungs- und Archivgemeinschaften;
  • einer Erweiterung der Zugangsprogramme und Benutzerbasen von EHRI;
  • von Arbeiten im Bereich von einer besseren Lokalisierung von Beständen und der
  • Entwicklung transnationaler thematischer Ebenen, was die Inhalte der gesammelten Daten betrifft.

 

Das VWI wird in vier Work Packages aktiv sein und in diesem Zusammenhang an einer wesentlichen Weiterentwicklung des EHRI-Online-Portals arbeiten, insbesondere am EHRI-Dokument-Blog, an einem Dashboard, das die Rückverfolgung transnationaler Akteure und grenzüberschreitender integrierter Prozesse ermöglichen wird. Der Aufbau einer regionalen Datenschnittstelle ist eine weitere Aufgaben des VWI in EHRI-3. Wieder wird das VWI am Workpackage Transnational Access teilnehmen und EHRI-Fellows begrüßen und betreuen können. Zu Ehren der ersten EHRI-Projektleiterin wurde das Fellowship-Programm nach Conny Kristel benannt.

Accessing Campscapes.

 

Inclusive Strategies for Using European Conflicted Heritage (iC-ACCESS, HERA 2016-2018)

 

Das VWI ist assoziierter Partner in einem Projekt im Rahmen des Humanities in the European Research Area (HERA) Programmes der EU. Accessing Campscapes: Inclusive Strategies for Using European Conflicted Heritage (iC-ACCESS) erforscht Spuren der Massengewalt und des Massenterrors in 20. Jahrhundert, untersucht die noch fassbaren Erinnerungsstücke des Zeitalters der Extreme und deren Verwendung in (trans)nationalen Kontexten.

Austrian Heritage Archive

 

Digitale Sammlung lebensgeschichtlicher Interviews mit österreichisch-jüdischen EmigrantInnen in den USA und Israel

 

Das Austrian Heritage Archive (AHA) ist ein Online-Archiv, das Audio- und Video-Interviews sowie eine Auswahl biographischer Materialien österreichisch-jüdischer EmigrantInnen, die den Nationalsozialismus überlebten und in den USA oder Israel leben/lebten, bereitstellt. Die Datenbank wurde zwischen 2013 und 2017 von einem HistorikerInnen- und ProgrammiererInnen-Team unter der Leitung von Philipp Rohrbach (Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien, VWI) und Adina Seeger (Verein GEDENKDIENST) entwickelt und vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie vom VWI finanziert wurde. Wissenschaftlicher Berater des Projekts war Univ. Prof. Dr. Albert Lichtblau.

 

Nach der Fertigstellung im Oktober 2017 wurde die Datenbank in der Arbeiterkammer Wien einer interessierten Öffentlichkeit präsentiert und ist seither unter www.austrianheritagearchive.at online abrufbar.

 

Gegenwärtig befinden sich 20 Interviews in voller Länge, transkribiert und mit einer Auswahl von Dokumenten zu den Lebensgeschichten versehen, auf der Webseite des Austrian Heritage Archive. Die Interviews sowie die dazugehörigen Materialien sind Teil der über 800 Interviews der Austrian Heritage Collection (AHC) – einer der größten Sammlungen zur österreichisch-jüdischen Emigration in die USA und nach Palästina/Israel. Sie wurden in den vergangenen 20 Jahren am Leo Baeck Institute New York sowie seit 2013 am Leo Baeck Institut Jerusalem von jungen ÖsterreicherInnen, die vom Verein GEDENKDIENST in die jeweiligen Länder entsandt worden waren, geführt, aufgezeichnet und archiviert.

 

Das vorliegende Projektvorhaben ist auf eine Laufzeit von 24 Monaten ausgelegt und verfolgt folgende Ziele:

 

1) Seit der Präsentation des Austrian Heritage Archive im Oktober 2017 haben rund 4.000 BenutzerInnen aus über 40 Ländern das Online-Archiv verwendet. Basierend auf Rückmeldungen von NutzerInnen sowie Feedback von ExpertInnen, soll der Online-Auftritt des Austrian Heritage Archives optimiert werden, indem die Menüführung der Webseite vereinfacht, die Recherche- und Zugriffsgeschwindigkeit erhöht und die Volltextsuche und Beschlagwortung der Inhalte (Interviews, Dokumente und Fotos) perfektioniert werden. Des Weiteren soll eine mobile Version der AHA-Webseite für Mobiltelefone und Tablets erstellt werden.

 

2) Es sollen weitere 20 Interviews geschnitten, transkribiert und für das Austrian Heritage Archive aufbereitet werden.

 

3) Univ. Prof. Dr. Albert Lichtblau wird eine Buchpublikation zur Austrian Heritage Collection (AHC) New York verfassen, die in der Studienreihe des VWI veröffentlicht werden wird. Neben einer Beschreibung der Projektgenese und des Projektdesigns der AHC wird er die knapp 1.800 zweiten Fragebögen (Questionnaire 2) auswerten, die seit 1996 von Gedenkdienstleistenden am Leo Baeck Institut New York gesammelt wurden. In dieser außergewöhnlichen Quelle gaben die befragten österreichisch-jüdischen EmigrantInnen und Überlebenden in eigenen Worten schriftlich über ihre persönlichen Erinnerungen Auskunft. Wo es sinnvoll bzw. notwendig erscheint, werden diese Aussagen mit Interviews, Dokumenten und Memoiren aus der Austrian Heritage Collection New York verglichen. Im geplanten Buch wird die Bandbreite der Erfahrungen und Verarbeitungsformen österreichisch-jüdischer EmigrantInnen und Überlebender in den USA dargestellt und analysiert.

 

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