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Dagi Knellessen: Kontinuitäten, Transformationen und Paradoxien in 40 Jahren Zeugenschaft zu Sobibor vor der bundesdeutschen Justiz, 1949-1989
   

Mittwoch, 30. Oktober 2019, 13:00 - 15:00

Wiener Wiesenthal Institut, Research Lounge 1010 Wien, Rabensteig 3, 3. Stock

 

VWI invites the University of Amsterdam

© Die Neue Zeitung, 9. Mai 1950, 8. Dem NS-Massenmord im Vernichtungslager Sobibor sind um die 60 Jüdinnen und Juden durch den Aufstand der Häftlinge am 14. Oktober 1943 entronnen. 42 dieser Überlebenden traten über vier Jahrzehnte hinweg zumeist mehrfach in bundesdeutschen NS-Prozessen zu den Verbrechen in diesem ‚Aktion Reinhard‘-Lager als Zeugen auf. Als die einzigen nicht-tatbeteiligten Zeugen eines spurenlosen Verbrechens und als Hauptbelastungszeugen gegen die Sobibor-Täter rückten sie in den deutschen Gerichtssälen in eine exponierte wie zunehmend prekäre Position. Sie waren mit Justizangehörigen konfrontiert, die ihnen mit extrem unterschiedlicher Haltung entgegentraten, ihre Glaubwürdigkeit teils gegensätzlich beurteilten und sie zunehmend vor paradoxe Anforderungen stellten. Sie bildeten die Hauptangriffsfläche für die Verteidiger, deren Angriffe sich mit jedem Jahrzehnt verschärften. Und ihre Zeugenschaft wie die Sobibor-Prozesse insgesamt blieben durchgehend unbeachtet von der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Die Bereitschaft, in dieser sich verschärfenden Zeugenschaftssituation (Annette Wieviorka) auszusagen, hielt kontinuierlich an. Über den langen Zeitraum bilden sich Transformationen der Erinnerungen in den Aussagen ab, deren Fokus sich zunehmend verschob. Bestehen blieb in unterschiedlichen Ausprägungen ein paradoxer Grundkonflikt, der in der juridischen Zeugenschaft insbesondere vor der deutschen Justiz angelegt ist: die Überlebenden des Massenverbrechens sollten authentisch sein und zugleich ihre Aussagen neutral, objektiv, unbeschädigt und emotionsfrei präsentieren.

Kommentiert von Selma Leydesdorff

Dagi Knellessen ist Junior Fellow am VWI und Doktorandin am Historischen Seminar der Universität Leipzig. Geforscht und publiziert hat sie zur Wahrnehmungsgeschichte des Holocaust, zur juristischen Aufarbeitung von NS-Verbrechen nach 1945 sowie zu Formen der Zeugenschaft von NS-Verfolgten und jüdischen Überlebenden. Von 2015 bis 2019 arbeitete sie am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow in Leipzig an ihrer Dissertation zur Geschichte der Zeugenschaft von Holocaust-Überlebenden, die zwischen 1949 und 1989 in fünf bundesdeutschen Sobibor-Prozessen ausgesagt haben.

Selma Leydesdorff ist Professor Emerita an der Universität Amsterdam, Historikerin, Expertin für Gender Studies, Oral History und Holocaust-Studien. Sie war an unterschiedlichen internationalen Oral-History-Projekten beteiligt. Außerdem hat sie zahlreiche Publikationen in renommierten Journals vorgelegt, war Autorin beziehungsweise Herausgeberin unter anderem der Bücher Surviving the Bosnian Genocide. The Women of Srebrenica Speak. Bloomington (IN) 2011; zusammen mit Nanci Adler, Tapestry of Memory: Evidence and Testimony in Life-Story Narratives. New Brunswick 2013; Sasha Pechersky. Holocaust Hero, Sobibor Resistance Leader and Hostage of History. New York 2017.

Bitte melden Sie sich unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! bis Dienstag, 29. Oktober, 12.00 Uhr, an und bringen Sie einen gültigen Lichtbildausweis mit.

Hier finden Sie die Einladung als PDF.

In Kooperation mit:
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