Alexandra Birch
Research Fellow (10/2023 – 08/2024)
GULAGSound: Musik und Mizrachim in Taschkent
Die Inhaftierung von Künstler:innen und Musiker:innen war ein zentrales Merkmal der kulturellen Verwüstungen des sowjetischen Terrors. Zeitgleich mit dem Holocaust führten Stalinisierung, Terror und Gulag zur gezielten Zerstörung jüdischer Gemeinden von der Ukraine bis Wladiwostok. Um die bestehende Holocaust-Geschichtsschreibung zu erweitern untersucht dieses Projekt zwei klangliche Räume der Internierung: erstens im Rahmen einer Studie über evakuierte Menschen während des Zweiten Weltkriegs und ihre Interaktionen mit Klang während des Transports; zweitens im Rahmen einer Lokalstudie über Taschkent, die den jüdischen Transit nach Birobidzhan in der Vorkriegszeit und die Interaktionen der evakuierten Jüdinnen und Juden mit den bucharischen jüdischen Gemeinden in Zentralasien in Augenschein nimmt.
Alexandra Birch, international erfolgreiche Violinistin und Historikerin. Musikstudium (PhD) an der Arizona State University, Auftritte in über zwanzig Ländern. Derzeit Geschichtsstudium (PhD) an der UC Santa Barbara zum Zusammenhang von Musik und Massenverbrechen in der ehemaligen UdSSR.
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Jenny Watson
Research Fellow (04/2024 – 08/2024)
Das Grauen in Worte fassen: Metaphern des Landlebens in Berichten über Massenerschießungen
Das Projekt baut auf bestehenden Arbeiten zu landwirtschaftlichen Metaphern im Kontext von Massentötungen auf und erweitert deren Fokus durch die Einbeziehung historischer Quellen. Es analysiert Berichte aus erster Hand über Massenerschießungen, um herauszufinden, auf welche Weise Täter:innen, Überlebende und Zeug:innen Sprache aus den Bereichen des täglichen Lebens verwendeten, um die Gräueltaten zu artikulieren, die sie begangen, erlebt oder gesehen hatten. Die Hypothese – entwickelt aus der Arbeit mit literarischen Texten und inspiriert von Alon Confinos’ Arbeit über „unbewusstes narratives Enactment“ – lautet, dass Individuen die Motive und Prozesse des Massenmordes durch die Brille der Handlungsnormen gemeinschaftlicher Prozesse wie Jagen, Ernten und Schlachten betrachten.
Jenny Watson, Chancellor’s Fellow an der University of Edinburgh, wo sie im Deutsch-Programm der School of Languages, Literatures and Cultures unterrichtet. Ihr Postdoc-Projekt „Restless Earth: Extra-Concentrationary Violence since 1945“ beschäftigte sich mit der Darstellung des sogenannten „Holocaust by Bullets“ in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur.
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Lóránt Bódi
Research Fellow (10/2024 – 03/2025)
Überreste ohne Körper: Die kulturelle Imagination der Holocaust-Seifen
Schon während des Zweiten Weltkriegs gab es in der Öffentlichkeit Gerüchte und erschütternde Vorstellungen über die deutsche Vernichtungsmaschinerie, die sich Jahrzehnte später zu Legenden oder Mythen verfestigten. Eine der beständigsten Holocaust-Legenden war die Geschichte der sogenannten RIF-Seifen. Überlebende haben jahrzehntelang eine wichtige Rolle bei der Bewahrung der Erinnerung an diese Seifen gespielt, aber die Geschichte hat sich auch über die Grenzen dieser Erinnerungen hinaus in den öffentlichen Diskurs bewegt. Bislang hat sich die historische Forschung meist auf den historischen Ursprung des „Seifenmythos“ konzentriert und versucht, diese Legende zu falsifizieren. Dieses Projekt folgt jedoch dem Ansatz der Geertz'schen historischen Anthropologie, um die soziale Funktion zu erforschen, die solche Mythen in einem bestimmten kulturellen Kontext als Reaktion auf die Tragödie des Holocaust weiterhin haben. Insbesondere das Wissen um die Ursprünge der Seifen unter den Überlebenden wurde nie berücksichtigt, dieses Forschungsprojekt hat zum Ziel, diese wichtigen Lücken zu füllen. In diesem Sinne werden der „Mythos“ und seine verschiedenen historisch-semantischen Schichten anhand der Zeugnisse von Überlebenden, jüdischen Gedenkpraktiken und öffentlichen Diskursen analysiert.
Lóránt Bódi ist Sozialforscher und Redakteur. Er arbeitete als Assistant Research Fellow an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in internationalen Forschungsprojekten wie COURAGE (Horizon2020) und UMSCEN (Creative Europe). Er promovierte an der ELTE (Eötvös Loránd University) im Rahmen von Atelier - Europäische Historiographie und Sozialwissenschaften. Sein Hauptforschungsinteresse gilt der osteuropäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Geschichte autoritärer Regime und dem Holocaust. Seit 2022 ist er Chefredakteur der Zeitschrift Café Bábel. Derzeit ist er Gastdozent an der Metropolitan University und der Corvinus University (Széchenyi College for Advanced Studies) sowie Research Fellow am VWI.
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Jens Kolata
Research Fellow (10/2024 – 03/2025)
Patient:innen forensischer Anstalten im nationalsozialistischen Österreich
Das Forschungsprojekt untersucht, ob sich für forensische Anstaltspatient:innen als Opfergruppe im nationalsozialistischen Österreich aufgrund der Verflechtung der Verfolgungskriterien Straffälligkeit und psychiatrische Diagnose spezifische Verfolgungswege identifizieren lassen. Angeklagte in Strafverfahren, die als nicht zurechnungsfähig eingestuft wurden, wurden in psychiatrische Anstalten eingewiesen. Viele dieser forensischen Patient:innen wurden im Zuge des nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programms ab 1940 ermordet oder 1944 in Konzentrationslager, insbesondere nach Mauthausen, deportiert. Das Projekt rekonstruiert den Weg von Psychiatriepatient:innen durch die Strafjustiz, die psychiatrische Begutachtung, den Klinikalltag, das nationalsozialistische „Euthanasie“-Programm und die KZ-Haft. Das vorliegende Projekt ergänzt ein Forschungsprojekt über Patient:innen forensischer Anstalten im nationalsozialistischen Deutschland um eine vertiefte Untersuchung der spezifischen Situation im nationalsozialistischen Österreich zwischen 1938 und 1945. Ziel ist es, die Besonderheiten der Geschichte der forensischen Anstaltspatient:innen in einem an das Deutsche Reich angegliederten Gebiet zu untersuchen. Dazu werden u.a. Patient:innenakten und Datenbanken mehrerer österreichischer Archive und Gedenkstätten konsultiert.
Jens Kolata , MA, studierte Geschichte und Soziologie an den Universitäten Tübingen und Groningen. Von 2009 bis 2015 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Tübingen. In seinem Promotionsprojekt an der Universität zu Köln untersuchte er eugenische Debatten in der deutschen medizinischen Presse zwischen 1911 und 1976. Seit 2019 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main tätig. Aktuell arbeitet er an dem Forschungsprojekt „Forensische Anstaltspatienten im Nationalsozialismus“. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der Eugenik, die Medizin im Nationalsozialismus und die nationalsozialistische Verfolgung von sozial Ausgegrenzten.
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