Aurelia Kalisky
Gerda Henkel-Research Fellow (11/2023 – 03/2024)
Wie schreiben wir unsere Geschichte? Die unklassifizierbare Geschichtsschreibung jüdischer Überlebender nach der Shoah
Das Projekt befasst sich mit den Werken und Laufbahnen einer Gruppe von Autor:innen, den „survivor scholars“ („gelehrte Überlebende“). Es untersucht Formen der wissenschaftlichen Forschung und Wissensproduktion, die von jüdischen Holocaustüberlebenden bis zur Mitte der 1980er Jahre betrieben wurde. Diese waren von dem gemeinsamen Ziel angetrieben, die Katastrophe zu dokumentieren und ihre Geschichte zu schreiben. Abgesehen von den Unterschieden zwischen ihren Ansätzen haben sie eigenständige historiografische Formen entwickelt, die umso wertvoller erscheinen, als sie jüngste Reflexionen über die Geschichtsschreibung der Shoah und über die Notwendigkeit einer interdisziplinären Entwicklung der Holocaustforschung und Geschichtswissenschaft im Allgemeinen vorwegnehmen.
Aurelia Kalisky, Literaturwissenschaftlerin, seit 2021 Fellow am Centre Marc Bloch in Berlin, unterstützt von der Fondation pour la Mémoire de la Shoah. Zahlreiche Artikel über Zeugenschaft, Zeugnisliteratur, Erinnerungspolitik und Geschichtsschreibung im Zusammenhang mit genozidaler Gewalt, insbesondere der Shoah und dem Genozid an den Tutsi in Ruanda.
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Katharina Lenski
Gerda Henkel-Research Fellow (10/2023 – 03/2024)
„Asozialität“: Konstruktionen von „Unterschichten“ zwischen 1933 und 1989
„Asozialität“ wird in der Geschichtsschreibung selten thematisiert, obwohl sie nicht nur in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert skandalisiert wird. Wer nicht den gängigen Mustern von Lohnerwerb und Lebensweise entsprach, stand seit der Proklamation des Sozialstaats unter dem Generalverdacht des „Sozialschmarotzertums“. Die Geschichtsschreibung hat den Konstruktionscharakter der „Asozialität“ kaum dechiffriert, so dass deren Funktionen unklar geblieben sind. In der Literatur findet sich die These, dass „Asozialität“ dazu gedient habe, eine „Underclass“ zu konstituieren und damit die „inneren Grenzen“ der Gesellschaft festzulegen. Dabei werden die Handlungssamples der beteiligten Institutionen und Personen als soziale Praxis rekonstruiert. Das Projekt schlägt den Bogen vom Beginn der NS- bis zum Ende der DDR-Diktatur.
Katharina Lenski, Historikerin, Soziologin und Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Jena. Mitgründerin und Leiterin des Thüringer Archivs für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“, später Fellow am Imre-Kertész-Kolleg Jena sowie Postdoktorandin und Koordinatorin des Graduiertenkollegs „Die DDR und die Diktaturen nach 1945 in europäischer Perspektive“.
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Konstantin Fuks
Gerda Henkel-Research Fellow (04/2025 – 08/2025)
Lettische Jüdinnen und Juden im Krieg. Konfrontationen mit dem Holocaust
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Geschichte des Überlebenskampfes der lettischen Jüdinnen und Juden, die während des Zweiten Weltkriegs nach Osten flohen und sich den sowjetischen Kriegsanstrengungen anschlossen. Anhand von neu entdeckten Quellen wie Briefen aus der Kriegszeit, Interviews und Memoiren beleuchtet die Studie die Reaktion der einheimischen Jüdinnen und Juden auf die sowjetische Eroberung Lettlands, auf ihren Entscheidungsprozess, während der deutschen Invasion in der Sowjetunion Zuflucht zu suchen, das Wissen und das Bewusstsein der ins sowjetische Landesinnere geflohenen Jüdinnen und Juden über den Massenmord im besetzten Lettland sowie die Bedeutung der Identität als lettischer Jude und Soldat der Roten Armee in einem Krieg der totalen Vernichtung an der Ostfront. Das Projekt stellt die Studie in den breiteren Kontext der Geschichte der stalinistischen Gesellschaft im Krieg und will die unbekannte Geschichte des jüdischen Widerstands und Überlebens während des Holocausts erzählen.
Konstantin Fuks promovierte 2024 in Geschichte und Judaistik an der Universität von Toronto. Seine Forschungen und Veröffentlichungen befassen sich mit der Sozialgeschichte des Krieges, der Revolution und des Holocausts in Lettland, wobei der Schwerpunkt auf der Aufarbeitung der Geschichte der Letten liegt, die während des Zweiten Weltkriegs auf sowjetischer Seite gekämpft haben.
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Irina Nastasă-Matei
Gerda Henkel-Research Fellow (01/2025 – 06/2025)
Die United Romanian Jews of America und ihre Reaktionen auf Antisemitismus und den Holocaust in Rumänien (1918–1970er Jahre)
Das Projekt analysiert die rund 60-jährige Unterstützung rumänischer Jüdinnen und Juden durch die United Romanian Jews of America (URJA) angesichts sich im Laufe der Zeit wandelnder Formen des Antisemitismus – sowohl derjenigen aus der Zwischenkriegszeit, die den Weg zum Holocaust bereiteten, als auch der subtileren aus der Zeit des Kommunismus. Die URJA dokumentierte die Verletzungen der Rechte der jüdischen Minderheit durch die rumänischen Regierungen, verhandelte mit den rumänischen und US-amerikanischen Behörden über ihren Schutz und über die Koppelung der Finanz- und Wirtschaftshilfe an eine faire Behandlung der Jüdinnen und Juden und prangerte die antisemitischen Gesetze der Regierung von Octavian Goga aus dem Jahr 1937 an. Während des Zweiten Weltkriegs berichtete sie weltweit über Pogrome, Deportationen und Massenmorde an rumänischen Jüdinnen und Juden, setzte sich für Rettungsmaßnahmen ein und arbeitete mit anderen jüdischen Hilfsorganisationen, wie dem Joint Distribution Committee, zusammen. Die Organisation blieb bis in die 1970er Jahre aktiv. Sie unterstützte weiterhin in den USA und Israel lebende rumänische Jüdinnen und Juden, protestierte gegen die Misshandlung der jüdischen Bevölkerung durch das rumänische kommunistische Regime und setzte sich dafür ein, dass Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt wurden. Der bekannteste Fall waren die erfolgreichen Bemühungen des aus Rumänien geflohenen Zahnarztes und Wiesenthal-Mitstreiters Charles Kremer, Erzbischof Valerian Trifa – einen ehemaligen Anführer der Eisernen Garde – zu denunzieren und aus den USA auszuweisen.
Irina Nastasă-Matei ist außerordentliche Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Bukarest. Im Jahr 2013 schloss sie ihre Doktorarbeit in Geschichte zum Thema „Studenten aus Rumänien im Dritten Reich. 1933–1945“ an der Babeș-Bolyai Universität Cluj ab. Sie erhielt mehrere Stipendien, u.a. von der Ludwig-Maximilians-Universität München (DAAD-Forschungsstipendium) und dem Deutschen Kulturforum Mittel- und Osteuropa in München, und leitete internationale Projekte zur transnationalen und jüdischen Geschichte Rumäniens. Sie ist die Autorin der Monographie Bildung, Politik und Propaganda: Rumänische Studenten in Nazi-Deutschland (auf Rumänisch, 2016), Mitautorin des Buches Kultur und Propaganda. Das Rumänische Institut in Berlin, 1940–1945 (mit Lucian Nastasă-Kovacs, 2018 auf Rumänisch und 2023 auf Deutsch), und Autorin von über dreißig Artikeln, darunter mehrere über das jüdische Leben im Rumänien der Zwischenkriegszeit.
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