Ayelet Eva Herbst
EHRI-Fellow (2023)
In ihrer Dissertation folgt Ayelet Eva Herbst den Spuren von Jüdinnen und Juden, die zwischen 1941 und 1944 aus Lwów [heute: Lwiw, Ukraine] geflohen sind und den Holocaust unter deutscher Besatzung in Gebieten des Reichskommissariats Ukraine, des Generalgouvernements und des Dritten Reichs überlebt haben. Durch die Untersuchung der verschiedenen Faktoren, die ihre Entscheidungsprozesse, Entscheidungen und Fluchtmöglichkeiten beeinflussten, bietet diese Arbeit Einblicke in die jüdischen Reaktionen, Bewältigung und Selbstbestimmung während des Holocaust. Dafür stellt sie Ego-Dokumente wie Tagebücher, Memoiren und Interviews mit Holocaust-Überlebenden als Primärquellen für die Untersuchung und die Analyse in den Mittelpunkt.
Die Dissertation stellt Lwów als eine Fallstudie par excellence dar, da es nicht nur das drittgrößte jüdische Zentrum Polens während des Zweiten Weltkriegs war, sondern auch Jüdinnen und Juden mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen umfasste. Nach der deutschen Besetzung von Lwów wurde die Stadt zudem zu einem zentralen Ort, der die Versklavung und den Massenmord an Hunderttausenden von Jüdinnen und Juden aus der weiteren Region Ostgalizien ermöglichte. Dennoch sind Lwów und seine jüdische Gemeinde in der umfangreichen Holocaust-Forschung nach wie vor deutlich zu wenig erforscht. Auf diese Weise wird diese Dissertation nicht nur einen umfassenden Bericht über die Flucht von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen liefern, sondern auch einen Beitrag zu einer entscheidenden Lücke in der Geschichtsschreibung über den Holocaust in Polen leisten. Während ihres Stipendiums wird Herbst im Archiv und in der Bibliothek des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI) forschen.
Ayelet Eva Herbst ist Doktorandin an der Ludwig-Maximilians-Universität im Institut für Ost- und Südosteuropäische Geschichte. Sie studierte Holocaust, Communication and Tolerance an der Touro University Berlin und schloss 2018 mit einer Masterarbeit über jüdische Flüchtlingsbewegungen in die Ostukraine während des Zweiten Weltkriegs ab. Sie ist Stipendiatin des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks, Empfängerin des Conny-Kristel-Stipendiums sowie Stipendiatin des Instituts für Stadtgeschichte Ostmitteleuropas in Lwiw. Ihre Forschungsinteressen konzentrieren sich auf jüdische Migration und Vertreibung in Osteuropa während des Zweiten Weltkriegs, den Holocaust und seine Folgen. Als Spezialistin für Ego-Dokumente wendet Herbst einen Bottom-up-Ansatz an, um den Alltag und die Geschichte von Erfahrungen durch eine kontextualisierende Analyse von Kriegstagebüchern, Zeugnissen, Interviews und Memoiren zu untersuchen. In den letzten 5 Jahren hat sie diese Expertise für verschiedene Gedenkstättenprojekte in Berlin zur Verfügung gestellt.
Jonathan Lanz
EHRI-Fellow (2024)
Die Birkenau-Boys: Kindheit, Erinnerung und Zeugnis aus dem Theresienstädter Familienlager
Während seines zweiwöchigen Aufenthalts am VWI wird Jonathan für seine Doktorarbeit recherchieren, in der er die Geschichte von Auschwitz-Birkenau aus der Sicht der überlebenden Kinder untersucht. Seine Dissertation trägt den Titel The Birkenau Boys: Childhood, Memory and Testimony in the Theresienstadt Family Camp. Angesichts des relativen Mangels an archivarischer Dokumentation über die jüdische Gemeindegesellschaft in Birkenau will Jonathan Lanz in seiner Forschung untersuchen, wie die Analyse der Nachkriegszeugnisse von Kindern, die das Familienlager überlebten, einen Weg bietet, eine Sozialgeschichte des Holocaust zu schreiben, für die es keine zeitgemäße Dokumentation gibt. Auf der Grundlage neuerer Arbeiten zur Holocaust-Erinnerung lenkt Jonathan Lanz' Dissertationsprojekt den Blick der Historiker:innen wieder auf opferbezogene Ansätze zum Leben im NS-Lagersystem. Holocaust-Historiker:innen haben noch keine Sozialgeschichte des Vernichtungslagers Birkenau geschrieben, was angesichts der großen Bedeutung, die das Lager in der amerikanischen und europäischen Holocaust-Erinnerung hat, verwunderlich ist. Das Projekt behebt diese Lücke, indem es untersucht, wie die Erinnerung der Überlebenden an Birkenau in der Nachkriegszeit von den überlebenden Kindern geschmiedet, bearbeitet und instrumentalisiert wurde. Dieser methodische Ansatz wird es Holocaust-Historiker:innen ermöglichen, sich ein klareres Bild davon zu machen, wie das alltägliche Leben im größten Vernichtungslager der Nazis in den Erinnerungskulturen der Nachkriegszeit existiert.
Jonathan Lanz ist Historiker der Kindheit, der modernen jüdischen Geschichte und des Holocaust. Er ist Doktorand in Geschichte und Judaistik an der Indiana University Bloomington. In seiner Dissertation befasst er sich mit der Geschichte der so genannten "Birkenau Boys", einer bemerkenswerten Gruppe von neunundachtzig jüdischen Kindern, die Auschwitz-Birkenau überlebten. Im vergangenen akademischen Jahr war Jonathan Lanz ein Saul Kagan Fellow in Advanced Shoah Studies (Claims Conference) und ein Junior Fellow am Institut für Zeitgeschichte in München. Zusätzlich zu seiner Rolle als EHRI Conny Kristel Fellow ist Jonathan derzeit ein Gerda Henkel PhD-Fellow. Er hat seine Forschungsergebnisse auf mehr als einem Dutzend nationaler und internationaler Konferenzen vorgestellt und jüngt eine Übersicht über die Geschichte von Kindern über Völkermord im Journal of Genocide Research veröffentlicht. Jonathan Lanz erhielt 2019 einen B.A. in World History mit Auszeichnung an der Georgetown University und 2021 einen M.A. in europäischer Geschichte an der Indiana University.
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Oksana Baigent
EHRI-Fellow (2021/2022)
Holocaust Gedenken in der Ukraine im digitalen Zeitalter – Fluides Erinnern
Dieses Dissertationsprojekt untersucht das Aufkommen nicht-staatlicher Gedenkinitiativen in der Ukraine im digitalen Zeitalter und stellt damit die Trope einer ‚fehlenden‘ und/oder ‚unterdrückten‘ Erinnerung an den Holocaust nach 1945 in der heutigen Ukraine auf den Prüfstand. Anhand einzelner Fallstudien wird gezeigt, wie sich – parallel zu technologischen Entwicklungen im Bereich des Digitalen und dessen gesteigerter Verfügbarkeit – digitale Erinnerungskontexte für den Holocaust ausgebildet haben. Basierend auf einer ganzen Vielfalt an öffentlichen Geschichtsprojekten sowie neuen Ansätzen zu Praktiken des Holocaustgedenkens, wird für deren Verwoben-Sein mit den neuen Kommunikationsmitteln der digitalen Ära argumentiert. Dieses Projekt widmet sich insbesondere der Frage, wie der uneingeschränkte Zugang zu Informationen und deren Weiterverbreitung auf digitalem Wege, Gedenkpraktiken in der Ukraine demokratisiert und das einstige erinnerungspolitische Monopol des Staates destabilisiert haben. Außerdem wird untersucht, auf welche Weise sich post-COVID-19 traditionelle Praktiken des Gedenkens vom physischen Raum noch stärker ins Digitale verlagern. Mit der temporären Übersiedlung ihrer Gedenkausstellung auf eine Onlineplattform hat die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in jüngster Zeit einen spannenden Präzedenzfall für diese Entwicklung geschaffen, die zum Anlass genommen wird, um den zukünftigen (Un-)Möglichkeiten des Holocaustgedenkens in der digitalen Sphäre nachzugehen und um den Länderkontext der Ukraine als sprechendes Beispiel in diesem gesamteuropäischen und internationalen Umfeld zu positionieren.
Oksana Baigent ist Doktorandin in den Fächern Jüdische Studien und Digital Humanities am University College London (Großbritannien). Ihr Bachelor- und Masterstudium der Geschichte hat sie an der Kyiv-Mohyla Akademie in Kiew (Ukraine) absolviert. Ihre Forschungsinteressen umfassen: Jüdische Geschichte, Geschichte des Holocaust und Digital Humanities. Sie hat zahlreiche Forschungsstipendien und Fellowships innegehabt, darunter das American Jewish Archives Fellowship (2018/2019), ein Research Grant der British Royal Historical Society (September 2020) sowie jüngst das ReIReS_Transnational Access Scholarship (Juni 2021).
Hana Green
EHRI-Fellow (10/2021)
Illegales Leben: „Arische“ Scheinidentitäten jüdischer Frauen während des Holocaust
Dieses Dissertationsprojekt untersucht „arische“ Scheinidentitäten jüdischer Frauen in Zent-raleuropa während des Holocaust. Im Vordergrund stehen dabei jene Transformationspro-zesse, die die Annahme einer solchen, falschen Persona für diese Frauen und ihre jeweilige Vorkriegsidentität bedeuteten sowie die individuellen Implikationen dieser Umformung als eine unmittelbare Reaktion auf Verfolgung. Anhand von Fallstudien und Erfahrungsberichten nähert sich diese Studie dem Themenkomplex an. Vom Standpunkt „arischer“ Scheinidenti-tät aus erscheint die Alltagsgeschichte des Holocaust zwischen jüdischer Absenz und Präsenz in einem neuen Licht, denn in dieser relationalen Perspektive wird „das Arische“ aus jüdi-scher Sicht artikuliert und perfomiert. In Rückbindung an transnationale und transhistorische Fragestellungen von Identitätsbildung und -formbarkeit, fokussiert dieses Projekt insbeson-dere geschlechtsspezifische Erfahrungen von Trauma und Überleben. Die Annahme „ari-scher“ Scheinidentitäten durch jüdische Frauen wird somit als ein von Gender-Logiken ge-prägter Moment in der Historiografie des Holocaust verhandelt.
Hana Green Hana Green ist Doktorandin am Strassler Center für Holocaust und Genozid Studien der Clark University (USA). Ihr Bachelorstudium in Geschichte hat sie an der University of Florida ab-solviert, gefolgt von einem Master in Holocaust Studien an der Universität Haifa (Israel). Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen: Geschichte des Holocaust, Jüdische Geschichte, Gender und Identität. Sie war Stipendiatin des Leo Baeck Institutes, des Hadassah-Brandeis Institu-tes, EHRI und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Zuletzt erhielt sie ein Claims Conference Fellowship (The Conference on Jewish Material Claims against Germany; 2018-bis heute).